Zwei der häufigsten Fragen, um welche die Gedanken eines Suchenden kreisen, sind vermutlich: „Was ist Erleuchtung? – Können mich spirituelle Übungen erleuchten?“ Sadhguru, ein Yogi und Mystiker mit der Erfahrung aus drei außergewöhnlichen Leben, beantwortet diese Fragen.

Sadhguru: In Indien wurden erleuchtete Wesen als Dwijas bezeichnet. Dwija bedeutet zweimal geboren. Das erste Mal wurdest du aus dem Schoß deiner Mutter geboren; es geschah unbewusst. Du hast es nicht selbst zustande gebracht – die Natur hat es für dich getan. Als du geboren wurdest, bist du mit einer gewissen Unschuld und Glückseligkeit gekommen. Ein Kind ist von ganz allein unschuldig und glückselig. Doch weil diese Glückseligkeit nicht bewusst geschehen ist, kann sie jeder in kürzester Zeit korrumpieren. Innerhalb kürzester Zeit werden sie es wegnehmen... Bei einigen von euch wurde es im Alter von 12 oder 13 Jahren weggenommen, bei vielen bereits im Alter von 5 bis 6 Jahren. Kinder sind heute im Alter von 5 bis 6 Jahren angespannt, weil ihre Unschuld in kürzester Zeit korrumpiert wird, je nachdem, wie viel Einfluss die Menschen in ihrer Umgebung auf sie haben.

Wenn du nun noch einmal geboren werden musst, musst du zuerst sterben. Wenn du nicht gewillt bist zu sterben, stellt sich die Frage nach einer Wiedergeburt nicht. Das bedeutet nicht körperliches Sterben. Wenn du diesen Körper verlässt, wird irgendein anderer Unsinn auf dich warten. Aber wenn deine Art zu sein stirbt, wenn du alles zerstörst, das du als „ich“ bezeichnet hast, dann wirst du noch einmal geboren. Diese Art der Geburt geschieht zu 100% bewusst. Du wirst wieder glücklich und unschuldig, aber vollkommen bewusst. Jetzt kann diese Glückseligkeit von niemandem weggenommen werden. Was man „Erleuchtung“ nennt, bedeutet also eine bewusste Selbstzerstörung.

Im Moment denken die meisten Menschen nicht an Erleuchtung. Sie versuchen einfach nur, ein bisschen besser zu leben. Sie möchten ein bisschen friedvoller, freudvoller, effizienter, effektiver leben. Auch dafür können wir Yoga einsetzen. Es ist eine bescheidene Art, von Yoga Gebrauch zu machen, weil Yoga imstande ist, dich in eine andere Dimension des Lebens zu führen; aber es ist in Ordnung. Wenn Menschen nicht mit dem zufriedengestellt werden, wonach sie in ihrem Leben suchen, werden sie nie etwas Höheres suchen. Wenn man mit jemandem über Erleuchtung spricht, der gerade hungrig ist, denkt er nur ans Essen. Was auch immer Menschen gerade in ihrem Leben vermissen, muss bis zu einem gewissen Grad erfüllt werden. Andernfalls werden sie nichts Höheres suchen.

Isha-Yoga wird so angeboten, dass alle Dimensionen einbezogen werden, aber nichts zwingend ist. Wenn wir Menschen in die Kriya initiieren, wird sie so gelehrt, dass alles verfügbar ist. Wir wollen niemandem Erleuchtung vorenthalten, nur weil er oder sie diese nicht kennt. Wir wollen einen Vorgeschmack einer anderen Dimension erzeugen, so dass sie diese suchen werden. Gleichzeitig wird euch nichts aufgezwungen; ihr könnt es so nutzen wie ihr wünscht. Wenn jemand ein Asket und ein „Vollzeit-Yogi“ wäre, würde ich ihn auf eine ganz andere Art initiieren, in der der Weg, den sie gehen sollen, zwingend ist. Aber im Allgemeinen werde ich jemanden nicht auf eine Weise initiieren, die zwingend ist. Ich initiiere sie so, dass sie auf viele verschiedene Arten davon Gebrauch machen können und es trotzdem lebendig bleibt.

Das Streben nach körperlichem Wohlbefinden ist eine Sache. Das Streben nach Erleuchtung ist etwas anderes.

Das Streben nach körperlichem Wohlbefinden ist eine Sache. Das Streben nach Erleuchtung ist etwas anderes. Um das körperliche Wohlbefinden zu steigern, musst du verschiedene Techniken zur Selbsterhaltung erlernen. Erleuchtung bedeutet eine bewusste Zerstörung deiner selbst. Für die meisten Menschen braucht es eine gewisse Zeit und Reife, um zu verstehen, dass das, was auch immer du aus dir machst, am Ende frustrierend und nicht genug ist. Egal, wie wunderbar du dich selbst machst, es ist immer noch nicht genug. Erst wenn du verschwindest, wird alles wunderbar.

Wenn also im Moment jemand nur friedlich und glücklich und in seinen Aktivitäten erfolgreicher sein will – dann soll es so sein, das ist in Ordnung. Das bedeutet nicht, dass Erleuchtung ausgeschlossen ist, aber eine solche Sehnsucht ist noch nicht gekommen. Immer noch ist die grundlegende Sehnsucht, besser zu leben. Du bist mit dem Leben noch nicht fertig – du möchtest gut leben. Wenn du genug gelebt hast und weißt, dass ein besseres Leben dich nirgendwohin führen wird, dann willst du über das Leben hinausgehen.

Editor's Note: In diesem Video geht Sadhguru genauer auf die Frage ein, was es eigentlich bedeutet, erleuchtet zu sein. Sieh es dir auf unserem Youtube-Kanal an.