Sadhguru erklärt, wie das Shiva Purana viele Aspekte der grundlegenden Wissenschaft in seinem Text enthält und ein mächtiges Werkzeug ist, um Begrenzungen zu überwinden.
Frage: Sadhguru, du schreibst Shiva große Wichtigkeit zu. Warum sprichst du nicht so viel über andere Meister, wie z.B. die Zen Meister?
Sadhguru: Diese große Leere, die wir als Shiva bezeichnen, ist eine grenzenlose Nicht-Entität: ewig und für immer. Aber da die menschliche Wahrnehmung auf Formen beschränkt ist, haben wir in der Tradition und Kultur viele wunderbare Formen für Shiva geschaffen. Der rätselhafte, nicht wahrnehmbare Ishwara, der glückverheißende Shambho, der entwaffnend naive Bhola, Dakshinamurthy, der große Meister und Lehrer der Veden, Shastras und Tantras, der leicht vergebende Ashuthosh, Bhairava, der mit dem Blut des Schöpfers selbst befleckt ist; Achaleshwara, die absolute Stille, der dynamischste aller Tänzer, Nataraja... so viele Aspekte, wie es im Leben gibt, so viele Aspekte wurden ihm zuteil.
Im Allgemeinen wird in den meisten Teilen der Welt alles, was die Menschen als göttlich bezeichnen, immer als gut bezeichnet. Aber wenn man sich die Shiva Purana durchliest, kann man Shiva weder als gute noch als schlechte Person identifizieren. Er ist alle: er ist der hässlichste, er ist der schönste, er ist der beste und er ist der schlechteste, er ist der disziplinierteste, er ist ein Betrunkener. Götter, Dämonen und alle möglichen Kreaturen auf der Welt beten ihn an. Die so genannte Zivilisation hat all diese unverdaulichen Geschichten über Shiva bequemerweise eliminiert, aber genau darin liegt die Essenz von Shiva. Völlig widersprüchliche Aspekte des Lebens sind in die Persönlichkeit Shivas eingebaut worden. Eine solch komplexe Verschmelzung aller Eigenschaften der Existenz wurde in eine Person gepackt, denn wenn man dieses eine Wesen akzeptieren kann, hat man das Leben selbst überwunden. Der ganze Kampf mit dem Leben besteht darin, dass wir immer versuchen, herauszufinden, was schön ist und was nicht, was gut ist und was schlecht ist. Du wirst mit niemandem ein Problem haben, wenn du nur diesen Mann akzeptieren kannst, der eine komplexe Verschmelzung von allem ist, was das Leben sein kann.
Wenn du dir die Geschichten im Shiva Purana genau ansiehst, wirst du sehen, dass die Relativitätstheorie, die Quantenmechanik, die gesamte moderne Physik, sehr schön durch Geschichten ausgedrückt wurde. Dies ist eine dialektische Kultur. Wissenschaft wurde durch Geschichten ausgedrückt. Alles wurde personifiziert. Aber irgendwann ließen die Menschen die Wissenschaft fallen und übernahmen nur noch die Geschichten und die Geschichten wurden von Generation zu Generation bis zu einem Punkt übertrieben, an dem sie absolut lächerlich waren. Wenn man die Wissenschaft in die Geschichten zurückbringt, ist das eine wunderbare Art, Wissenschaft auszudrücken.
Das Shiva Purana ist die höchste Wissenschaft, die die menschliche Natur zur Spitze des Bewusstseins erhebt, ausgedrückt in Form von sehr schönen Geschichten. Yoga wurde in Form einer Wissenschaft ausgedrückt, ohne dass ihm Geschichten beigefügt wurden, aber wenn man sie in einem tieferen Sinn betrachtet, können Yoga und die Shiva Purana nicht getrennt werden. Das eine ist für diejenigen, die Geschichten mögen, das andere für diejenigen, die bereit sind, alles wissenschaftlich zu betrachten, aber die Grundlagen von beiden sind die gleichen.
Heute führen Wissenschaftler viele Untersuchungen über das Wesen der modernen Erziehung durch. Sie stellen unter anderem fest, dass ein großer Teil der Intelligenz eines Kindes unwiderruflich zerstört ist, wenn es 20 Jahre lang eine formale Ausbildung durchläuft und diese beendet. Das bedeutet, dass er als ein sehr gebildeter Idiot herauskommt. Sie schlagen vor, dass eine der besten Möglichkeiten, Bildung zu vermitteln, darin besteht, sie in Form von Geschichten oder in Form von Spielen zu vermitteln. Es wurden zwar einige Anstrengungen in dieser Richtung unternommen, aber der größte Teil der Bildung in der Welt ist nach wie vor ungeheuer unterdrückend. Die riesige Menge an Informationen unterdrückt die Intelligenz, es sei denn, sie wird in einer bestimmten Form vermittelt und die Form des Geschichtenerzählens wäre der beste Weg. Das ist es, was in dieser Kultur getan wurde. Die höchsten Dimensionen der Wissenschaft wurden in Form wunderbarer Geschichten vermittelt.