Bedrohlich aufragende, mit Stacheldraht bespickte Mauern, Polizisten auf ständiger Patrouille und ein undurchdringliches Eisentor – diese einschüchternden Zeichen reichen aus, um die meisten Menschen von einem solchen Ort fernzuhalten. Für andere, wie Sadhguru und die Isha-Yoga-Lehrer, sind sie eine Einladung und ein Aufruf zur Hilfe. In den vergangenen 25 Jahren hat Isha in den Zentralgefängnissen in ganz Tamil Nadu Yoga-Kursprogramme für Häftlinge und Polizisten gleichermaßen durchgeführt. Hier ist eine wirklich rührende und doch inspirierende Schilderung einer Isha-Yoga-Lehrerin über ihren ersten Kurs, abgehalten im Zentralgefängnis Vellore im Jahr 1998.

Eine Isha-Lehrerin berichtet: Es ist fast 20 Jahre her, seitdem ich zum ersten Mal ein Gefängnis betreten habe. Wenn ich mich an eine Erfahrung aus irgendeiner der anderen Kurse, die ich in dieser Zeit in meinem Leben unterrichtet habe, erinnern und sie teilen müsste, wäre das unmöglich. Aber die Erinnerung an diesen einen Gefängniskurs hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnere mich sogar heute noch an die Gesichter und Namen einiger Teilnehmer aus diesem Kurs. Hier ist mein kurzer Bericht.

Während meines eigenen Isha-Yoga-Kurses mit Sadhguru im Jahr 1993 wurden uns Gesprächsaufnahmen von Gefangenen vorgespielt, die an Isha-Yoga-Kursprogrammen teilgenommen hatten. Ich war so berührt, als ich diese hörte, dass ich eine tiefe Sehnsucht verspürte, selbst ein Gefängnis zu besuchen. Als Sadhguru mich also fünf Jahre später bat, einen Kurs im Zentralgefängnis von Vellore zu leiten, war ich, wie zu erwarten, ziemlich begeistert davon. Doch als ich vor dem riesigen Eisentor stand, während zwei Polizistinnen jeden Winkel meiner Tasche und mich durchsuchten, war ich nicht mehr so begeistert. Ich fühlte mich selbst wie eine Kriminelle.

Von einem langsamen Start zu lächelnden Gesichtern

Sadhguru hatte einen speziellen 11-tägigen Kursplan für die Gefängnisse entworfen – jeder Tag des Kurses begann mit Spielen, und die Teilnehmer sollten in eine fortgeschrittene Übung initiiert werden, zusammen mit einer speziellen Version von Shakti Chalana Kriya. Mir wurde gesagt, dass 45 weibliche Gefangene, 8 Polizistinnen und der Inspektor der Polizei den Kurs besuchen würden. Aber als ich zusammen mit drei unterstützenden Freiwilligen hineinging, waren es nur 15 Gefangene, die zum Kurs kamen. Als ich das sah, ersuchte ich den Polizeiinspektor, mindestens 25-30 Personen zu bringen, damit wir die 70 km pro Strecke und Tag optimal nutzen konnten. Sie gingen herum und brachten ein paar mehr, aber ich war mit der Anzahl nicht zufrieden. Widerwillig begann ich den Kurs mit einem Völkerballspiel für die etwa 20 Gefangenen.

Die Erinnerung an diesen einen Gefängniskurs hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich erinnere mich sogar heute noch an die Gesichter und Namen einiger Kursteilnehmer.

Mit dem Fortschreiten des Spiels wurden alle anderen Gefangenen irgendwie zu diesem Areal hingezogen, und bald spielten dort fast alle, sowohl Gefangene als auch Polizisten, wie Kinder, schrien, brüllten, spotteten und jubelten. Sie waren voll dabei. Es gab jedoch zwei Damen, die mit starren Gesichtern weit weg standen und sich anscheinend bemühten, hart zu bleiben. Nach der Spieleinheit bat ich sie alle, in die Halle zur ersten Kurssitzung zu kommen. Diesmal gingen sie alle freudig in die Halle und setzten sich, bis auf diese beiden Damen.

Als ich die Halle betrat, hörte ich diese beiden Damen hinter mir schreien, weil zwei Polizistinnen versuchten, sie mit Gewalt in den Kurs zu schicken. Ich ging schnell zu ihnen hin und bat die Polizistinnen, sie in Ruhe zu lassen. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatten, verbeugte ich mich vor ihnen und bat sie, nur für eine Sitzung zu kommen. „Ihr braucht ab morgen nicht mehr zu kommen, wenn es euch nichts bringt. Nur für heute bitte ich euch zu kommen und es zu erfahren“, drängte ich sie sanft weiter. Sie waren so berührt und verwirrt von meinem Verhalten – welches ihnen so seltsam vorkam – dass sie beschlossen, zur ersten Kurseinheit zu kommen und verpassten danach nicht eine einzige Sitzung.

Die Schilderung, die mich schockierte

Im Laufe der Tage wurde jede Spieleinheit für die Teilnehmerinnen zu einer Feier inniger Freude. Der Inspektor und die Polizistinnen, die an dem Kurs teilnahmen, waren wirklich wunderbare Menschen. Sie schufen eine Atmosphäre, in der sich die Gefangenen wohl fühlten, um ihre persönlichen Geschichten zu erzählen. Die Sitzungen waren von 7 bis 11 Uhr, was bedeutete, dass die Gefangenen ihren Tee auslassen mussten, um pünktlich zum Kurs zu erscheinen. Am zweiten Tag kamen einige zu spät, da sie nicht auf ihre tägliche Dosis Tee verzichten konnten. Auf unsere Bitte hin halfen uns die Polizistinnen jedoch, im Unterricht selbst Tee für alle zu organisieren, und alles war wieder in Ordnung.

Die meisten von ihnen stammten aus sehr armen Familien, heirateten jung und hatten Ehemänner und Schwiegereltern, die sie misshandelten. Einige waren sogar Waisenkinder, die an Kriminelle verkauft wurden.

Das waren nicht die einfachen alltäglichen Gefangenen. Die meisten von ihnen hatten lebenslange Haftstrafen – verurteilt wegen Mordes, Drogenhandels, Terrorismus usw. Ich erinnere mich besonders an diese eine große Dame, die ein ebenso großes rotes Bindi auf ihrer Stirn trug (Anm.: ein aufgemalter Punkt auf der Stirn, das „dritte Auge“). Sie redete bis zur Schlusssitzung überhaupt nicht. Um sie für das, was dort angeboten wurde, zu öffnen, habe ich viele Dinge getan – sie direkt angesprochen, sie zum Sprechen ermutigt, sie vorne sitzen lassen – irgendwie in der Hoffnung, dass sie sich öffnen und sich mitteilen würde. Sie machte, was ich sagte, sprach aber kein Wort, sie erwiderte einfach mein Lächeln. Am Abschlusstag war ich daher hocherfreut, als sie aufstand und von sich erzählte.

Sie begann ihre Mitteilung mit den Worten: „Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich bereue, vierzehn Menschen ermordet zu haben.“ Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Es stellte sich heraus, dass sie Mitglieder einer rivalisierenden Gang ermordet hatte, die nun auf Rache aus waren. „Ich werde diesem rivalisierenden Bandenführer schreiben, dass er mich töten soll, wenn er will, weil ich seinen Sohn so grausam zerhackt habe. Aber er soll die Gewalt nicht weiter schüren, indem er meine Familienmitglieder tötet. Dann könnte dieser Kreislauf wenigstens ein Ende haben!“, sagte sie mit schwerer Stimme. Es war eine äußerst rührende Mitteilung, aber das war es nicht, weswegen mir der Atem stockte!

Ein neues Leben für die Gequälten

Es gab auch einige, die, wie man unschwer erkennen konnte, zu den grausamen Taten, für die sie verurteilt wurden, gar nicht fähig waren. Nach dem dritten Tag öffneten sich mir viele und erzählten mir ihre Geschichten von Unschuld, Verbrechen, Scham und Stolz. Die meisten von ihnen stammten aus sehr armen Familien, heirateten jung und hatten Ehemänner und Schwiegereltern, die sie misshandelten. Einige waren sogar Waisenkinder, die an Kriminelle verkauft wurden, damit diese sie benutzen. Ich musste innerlich hart arbeiten, um meine Tränen vor ihnen zurückzuhalten, aber jede Nacht kam ich darauf zurück und weinte beim Gedanken an ihre unglaublich qualvollen Lebensumstände. Es war wirklich herzzerreißend, solches Leid zu sehen. „Ich habe nach Jahren wieder gut geschlafen, ich fühle mich friedlich, jetzt will ich leben“, waren einige der meistbenutzten Aussagen in ihren Mitteilungen während der 11 Tage.

An diesem Tag konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten und musste sie fließen lassen. Es sah mir sowieso niemand beim Weinen zu…

Aufgrund ihrer schieren Intensität und ihrer tiefen Sehnsucht, etwas mehr im Leben zu finden als die Umstände, in denen sie sich befanden, wurden diese Damen schon am 4. Tag sehr empfänglich. Ich erinnere mich, dass sie am 5. Tag, nach der Initiation, für eine GANZE STUNDE mit geschlossenen Augen still dasaßen – etwas, das ich in fast 20 Jahren des Lehrens nie zuvor gesehen hatte und danach auch nicht wieder gesehen habe. An diesem Tag konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten und musste sie fließen lassen. Es sah mir sowieso niemand beim Weinen zu – ihre Augen waren für etwas viel Größeres und viel Tieferes geöffnet worden.

Heute sind die meisten von ihnen aus dem Gefängnis entlassen. Das Leben ist für diese Menschen auch außerhalb der Gefängnismauern nicht einfach, aber ich hoffe, sie haben ihre Übungen fortgesetzt und Yoga mit sich getragen, wo immer sie auch sein mögen.
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Zwanzig Jahre später bietet Isha nun ein 3-tägiges Kursprogramm namens Uyir Nokkam in Gefängnissen an, aber auch in Unternehmen, Gemeinden und an vielen anderen Orten. Der erste Uyir-Nokkam-Gefängniskurs wurde am 15. Juni diesen Jahres für 91 Gefangene abgehalten – 80 waren Untersuchungshäftlinge und 11 Verurteilte. Auch während dieses Programms begann der Kurs jeden Tag mit Spielen um 7 Uhr morgens, die Gefangenen vermissten ihren Tee, und sie berichteten von den gleichen Formen des Leidens, der Intensität und der Transformation.

Editor's Note: Sadhguru und Isha haben weltweit mehr als eine Milliarde Menschen berührt. Durch kraftvolle spirituelle Prozesse, einflussreiche soziale Projekte und Werkzeuge zur Transformation haben Sadhguru und die Isha Foundation in den Jahren 2010-2020 eine mächtige Welle der Freude, Glückseligkeit und Selbsttransformation geschaffen. Einen sehr guten Überblick gibt dieses Video.